Betreff
Entscheidung über den Verzicht auf die Erstellung eines Gesamtabschlusses für das Haushaltsjahr 2020
Vorlage
20/579/2021
Aktenzeichen
20 913-02
Art
Beschlussvorlage öffentlich

Vorschlag der Verwaltung:

 

„Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses gemäß § 116a der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) für die Stadt Sassenberg für das Haushaltsjahr 2020 vorliegen. Auf die Erstellung bzw. Aufstellung eines Gesamtabschlusses für die Stadt Sassenberg für das Haushaltsjahr 2020 wird verzichtet.“


Im Zusammenhang mit der Reform des kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens, also der normierten Umstellung vom System der Kameralistik auf das System der doppelten Buchführung, hat der Gesetzgeber die Gemeinden auch zur Aufstellung von Gesamtabschlüssen verpflichtet. Durch das Gesetz über ein Neues Kommunales Finanzmanagement für Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen (Kommunales Finanzmanagementgesetz NRW - NKFG NRW) vom 16. November 2004 wurde in die Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) in § 116 aufgenommen, dass die Gemeinde in jedem Haushaltsjahr für den Abschlussstichtag 31. Dezember einen Gesamtabschluss aufzustellen hat.

 

Nach § 116 Absatz 2 GO NRW in der zurzeit geltenden Fassung besteht der Gesamtabschluss aus 1. der Gesamtergebnisrechnung, 2. der Gesamtbilanz, 3. dem Gesamtanhang, 4. der Kapitalflussrechnung und 5. dem Eigenkapitalspiegel. Darüber hinaus hat die Gemeinde einen Gesamtlagebericht aufzustellen. Zum Zwecke der Aufstellung des Gesamtabschlusses sind nach § 116 Absatz 3 Satz 1 GO NRW die Jahresabschlüsse aller verselbständigten Aufgabenbereiche in öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Form mit dem Jahresabschluss der Gemeinde zu konsolidieren, sofern im Gesetz oder durch Rechtsverordnung nicht anderes bestimmt ist.

 

Nach § 2 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zur Einführung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden im Land Nordrhein-Westfalen (NKF Einführungsgesetz NRW - NKFEG NRW) vom 16. November 2004 hatten Gemeinden und Gemeindeverbände spätestens zum Stichtag 31. Dezember 2010 den ersten Gesamtabschluss nach § 116 der Gemeindeordnung aufzustellen.

 

Für die Stadt Sassenberg sind bislang die Gesamtabschlüsse für die Haushaltsjahre 2010 bis 2017 aufgestellt und bis zum Gesamtabschluss für das Haushaltsjahr 2016 durch den Rat bestätigt worden. Die Aufstellung von Gesamtabschlüssen bindet nicht unerhebliche Personalkapazitäten und verursacht damit auch nicht unerhebliche Kosten. Hierbei sind ergänzend zu den intern anfallenden Kosten auch die Kosten für die externe Prüfung der Gesamtabschlüsse zu berücksichtigen. Für die Stadt Sassenberg wurde verwaltungsseitig seit jeher nur ein sehr eingeschränkter Nutzen der Gesamtabschlusserstellung durch die nur geringe zusätzliche Aussagekraft der Gesamtabschlüsse und die kaum gegebene Relevanz insbesondere für Steuerungszwecke gesehen.

 

Hier waren ausgehend von den Kriterien „(Beherrschender) Einfluss der Stadt Sassenberg auf die verselbstständigten Aufgabenbereiche“ und „Maßgeblichkeit der zu berücksichtigenden (anteiligen) Werte der verselbstständigten Aufgabenbereiche“ durchgängig lediglich die Eigenbetriebe „Wasserwerk der Stadt Sassenberg“ und „Abwasserwerk der Stadt Sassenberg“ vollkonsolidierungspflichtig. Hieran hat sich bis heute nichts geändert, da eine Ausweitung der Beteiligungen, die zu weiteren vollkonsolidierungspflichtigen verselbstständigten Aufgabenbereichen geführt hätte, nicht erfolgt ist. Vielmehr weist die Beteiligungsstruktur der Stadt Sassenberg seit dem Bezugsjahr des ersten Gesamtabschlusses (2010) neben den v. g. Eigenbetrieben nur verselbstständigte Aufgabenbereiche aus, die in den Gesamtabschluss nicht einbezogen werden mussten bzw. müssen, weil sie sie für die Verpflichtung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gemeinde zu vermitteln, von untergeordneter Bedeutung sind. Hinsichtlich der Beteiligungen bzw. der verselbstständigen Aufgabenbereiche im Einzelnen wird auf die Angaben in den Beteiligungsberichten nach der GO NRW verwiesen.

 

Im NKFG NRW wurde eine Pflicht zur Evaluierung der Vorschriften für das gemeindliche Haushalts- und Rechnungswesen festgeschrieben.

 

Nach dem Erlass eines Ersten Gesetzes zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen (1. NKF-Weiterentwicklungsgesetz – NKFWG) vom 18. September 2012 wurden im Jahr 2018 mit dem Zweiten Gesetz zur Weiterentwicklung des Neuen Kommunalen Finanzmanagements für Gemeinden und Gemeindeverbände im Land Nordrhein-Westfalen und weiterer kommunalrechtlicher Vorschriften (2. NKF-Weiterentwicklungsgesetz – 2. NKFWG NRW) vom 18. Dezember 2018 die Vorschriften für das gemeindliche Haushalts- und Rechnungswesens abermals grundlegend angepasst.

 

Durch das 2. NKFWG NRW wurde in Hinblick auf die Pflicht zur Aufstellung von Gesamtabschlüssen in die GO NRW ein § 116a (Größenabhängige Befreiungen) eingefügt.

 

Der Gesetzentwurf der Landesregierung zum 2. NKFWG NRW (Drucksache 17/3570 vom 11.09.2018) führte hierzu in der Begründung aus:

 

„In der bisherigen Fassung enthielt ausschließlich § 116 Absatz 3 die Möglichkeit, auf die Einbeziehung von verselbständigten Aufgabenbereichen in den Gesamtabschluss, sofern diese für die Erfüllung der Generalnorm von untergeordneter Bedeutung sind, zu verzichten.

 

In Analogie zum Konzernbilanzrecht des Handelsrechts werden daher nach dem Grundsatz zur Aufstellungspflicht und dem Grundsatz der Vollständigkeit in Bezug auf den Umfang der einzubeziehenden verselbständigten Aufgabenbereiche in einen Gesamtabschluss und in einen Gesamtlagebericht (§ 116 neu) nun größenabhängige Befreiungen (vgl. § 293 HGB) in die Gemeindeordnung eingeführt sowie der bisherige Ausnahmetatbestand aus § 116 Absatz 3 in einem § 116b neu gefasst. Dies geht mit einer Änderung zum Beteiligungsbericht (§ 117) einher.

 

Die Zielsetzung ist es, gegenüber den Mitgliedern der kommunalen Vertretungskörperschaft sowie den Bürgerinnen und Bürgern das kommunale (Verwaltungs-)Handeln transparent und nachvollziehbar darzulegen. Der Gesamtabschluss und der Gesamtlagebericht in seiner bisherigen Form hat diese Zielsetzung überwiegend – als Rückspiegelung aus der kommunalen Verwaltungspraxis sowie aus kommunalen Vertretungskörperschaften – nicht erreicht.“.

 

§ 116a GO NRW hat in der zurzeit geltenden Fassung folgenden Wortlaut:

 

(1)    Eine Gemeinde ist von der Pflicht, einen Gesamtabschluss und einen Gesamtlagebericht aufzustellen, befreit, wenn am Abschlussstichtag ihres Jahresabschlusses und am vorhergehenden Abschlussstichtag jeweils mindestens zwei der nachstehenden Merkmale zutreffen:

1.   die Bilanzsummen in den Bilanzen der Gemeinde und der einzubeziehenden verselbständigten Aufgabenbereiche nach § 116 Absatz 3 übersteigen insgesamt nicht mehr als 1.500.000.000 Euro,

2.   die der Gemeinde zuzurechnenden Erträge aller vollkonsolidierungspflichtigen verselbständigten Aufgabenbereiche nach § 116 Absatz 3 machen weniger als 50 Prozent der ordentlichen Erträge der Ergebnisrechnung der Gemeinde aus,

3.   die der Gemeinde zuzurechnenden Bilanzsummen aller vollkonsolidierungspflichtigen verselbständigten Aufgabenbereiche nach § 116 Absatz 3 machen insgesamt weniger als 50 Prozent der Bilanzsumme der Gemeinde aus.

(2)    Über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses entscheidet der Rat für jedes Haushaltsjahr bis zum 30. September des auf das Haushaltsjahr folgenden Jahres. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 1 ist gegenüber dem Rat anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Die Entscheidung des Rates ist der Aufsichtsbehörde jährlich mit der Anzeige des durch den Rat festgestellten Jahresabschlusses der Gemeinde vorzulegen.

(3)    Sofern eine Gemeinde von der größenabhängigen Befreiung im Zusammenhang mit der Erstellung eines Gesamtabschlusses Gebrauch macht, ist ein Beteiligungsbericht gemäß § 117 zu erstellen.

 

Während zunächst – gestützt insbesondere auf Ausführungen im Gesetzgebungsverfahren zum 2. NKFWG NRW – angenommen werden durfte, dass die Möglichkeit zur größenabhängigen Befreiung von der Pflicht, einen Gesamtabschluss und einen Gesamtlagebericht aufzustellen, erstmals für das Haushaltsjahr 2018 hätte genutzt werden können, hat das Land NRW später geregelt bzw. klargestellt, dass die größenabhängige Befreiung erstmalig für das Haushaltsjahr 2019 zum Tragen kommen kann.

 

Hinsichtlich der Entscheidung über den Verzicht auf die Erstellung eines Gesamtabschlusses für das Haushaltsjahr 2019 hat der Rat in seiner Sitzung am 16.06.2020 – Pkt. 4 d. N. – einen entsprechenden Beschluss gefasst.

 

Zur Ausübung der Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses – Verzicht auf die Erstellung eines Gesamtabschlusses – für das Haushaltsjahr 2020 bedarf es gemäß § 116a Absatz 2 GO NRW einer Beschlussfassung durch den Rat bis zum 30.09.2021. Am 01.07.2021 findet nach dem geltenden Sitzungsplan die letzte Sitzung des Rates vor dem 30.09.2021 statt, sodass eine Beschlussfassung in dieser Sitzung erforderlich ist.

 

Die Merkmale nach § 116a GO NRW sind dabei für die Jahre 2020 und 2019 bzw. die Abschlussstichtage 31.12.2020 und 31.12.2019 zu betrachten.

 

Der Jahresabschluss der Stadt Sassenberg für das Haushaltsjahr 2019, der Jahresabschluss für das Wasserwerk der Stadt Sassenberg für das Jahr 2019 sowie der Jahresabschluss für das Abwasserwerk der Stadt Sassenberg für das Jahr 2019 sind bereits durch den Rat festgestellt worden, sodass für das Jahr 2019 bzw. den Abschlussstichtag 31.12.2019 auf endgültige Werte abgestellt werden kann.

 

Der Jahresabschluss der Stadt Sassenberg für das Haushaltsjahr 2020, der Jahresabschluss für das Wasserwerk der Stadt Sassenberg für das Jahr 2020 sowie der Jahresabschluss für das Abwasserwerk der Stadt Sassenberg für das Jahr 2020 sind noch nicht durch den Rat festgestellt worden.

 

Für eine Einschätzung, bezogen auf das Vorliegen der in § 116a GO NRW genannten Merkmale, wird deshalb auf die Werte des jeweiligen Vorjahres mit Vorsichtszuschlägen, wie nachstehend, abgestellt:

 

-       Bilanzsumme zum 31.12.2020 der Stadt Sassenberg: Fortschreibung der Bilanzsumme zum 31.12.2019 ohne Zu- oder Abschläge,

-       Ordentliche Erträge der Stadt Sassenberg des Haushaltsjahres 2020: Fortschreibung der ordentlichen Erträge des Haushaltsjahres 2019 ohne Zu- oder Abschläge,

-       Bilanzsumme zum 31.12.2020 des Wasserwerks der Stadt Sassenberg: Fortschreibung der Bilanzsumme zum 31.12.2019 mit einem Vorsichtszuschlag von 5 %,

-       Ordentliche Erträge des Wasserwerks der Stadt Sassenberg des Jahres 2020: Fortschreibung der ordentlichen Erträge des Jahres 2019 mit einem Vorsichtszuschlag von 5 %,

-       Bilanzsumme zum 31.12.2020 des Abwasserwerks der Stadt Sassenberg: Fortschreibung der Bilanzsumme zum 31.12.2019 mit einem Vorsichtszuschlag von 5 %,

-       Ordentliche Erträge des Abwasserwerks der Stadt Sassenberg des Jahres 2020: Fortschreibung der ordentlichen Erträge des Jahres 2019 mit einem Vorsichtszuschlag von 5 %.

 

Diese Berücksichtigung von Wertansätzen ohne Vorliegen endgültiger Jahresabschlusswerte (Vorjahreswerte mit teilweisen Vorsichtszuschlägen) ermöglicht in Folgejahren grundsätzlich eine auch frühere Entscheidung im Jahresverlauf.

 

Nach dem Katalog von Fragen und Antworten zu den neuen Vorschriften der GO NRW und KomHVO NRW vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen (MHKBG) (Stand: 06.11.2019) (abgerufen am 22.06.2021 über das Internetangebot der Gemeindeprüfungsanstalt für das Land Nordrhein-Westfalen (www.gpanrw.de)) sind auch für das Merkmal nach § 116a Ziffer 1 GO NRW nur die vollkonsolidierungspflichten verselbstständigen Aufgabenbereiche zu betrachten.

 

Die Gemeindeprüfungsanstalt für das Land Nordrhein-Westfalen stellt über ihr Internetangebot auch eine Berechnungstabelle zur Verfügung, mit der die Befreiungsmöglichkeit von der Pflicht zur Erstellung bzw. Aufstellung eines Gesamtabschlusses nach § 116a GO NRW geprüft werden kann. Die betreffenden erforderlichen Werte für diese Prüfung wurden nach oben angegebenen Maßgaben in dieser Berechnungstabelle erfasst. Für die Stadt Sassenberg ergibt sich für einen Gesamtabschluss für das Haushaltsjahr 2020 für alle in § 116a GO NRW genannten Merkmale sehr eindeutig, dass die Merkmale zutreffen; die Schwellenwerte werden jeweils sehr deutlich unterschritten. Die Berechnungstabelle mit den vorgenommenen Eintragungen ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.

 

Im Zuge der im kommenden Jahr anstehenden Entscheidung über den Verzicht auf eine Erstellung bzw. Aufstellung eines Gesamtabschlusses für das Haushaltsjahr 2021 werden neben den Werten für das Haushaltsjahr 2021 bzw. für den Abschlussstichtag 31.12.2021 die endgültigen Werte für das Haushaltsjahr 2020 bzw. für den Abschlussstichtag 31.12.2020 berücksichtigt, sodass hier nochmals eine Absicherung erfolgt.

 

Von der Befreiungsmöglichkeit von der Pflicht zur Aufstellung eines Gesamtabschlusses gemäß § 116a GO NRW für die Stadt Sassenberg für das Haushaltsjahr 2020 sollte Gebrauch gemacht werden.

 

Zuständig für die Entscheidung ist der Rat.