Betreff
Öffentlich-rechtliche Vereinbarung zwischen den Städten und Gemeinden des Kreises Warendorf "Abrechnung der Krankenhilfeleistungen an Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz" -Solidarfonds-
Vorlage
50/099/2014
Aktenzeichen
50 454-00
Art
Beschlussvorlage öffentlich

Vorschlag der Verwaltung:

 

„Die Stadt Sassenberg, vertreten durch den Bürgermeister, tritt der öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zwischen den Städten und Gemeinden des Kreises Warendorf ,Abrechnung der Krankenhilfeleistungen an Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz´  -Solidarfonds- zum 01.01.2015 bei.“


Nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind die Kommunen verpflichtet, die „zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine Versorgung mit Zahnersatz erfolgt nur, soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Werdenden Müttern und Wöchnerinnen sind ärztliche und pflegerische Hilfe und Betreuung, Hebammenhilfe, Arznei-, Verband- und Heilmittel zu gewähren.“

 

Außerdem sind bei Bedarf auch noch Kosten für die Pflege gem. § 6 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu übernehmen.

 

Diese Verpflichtung zur Übernahme der Krankenhilfekosten und der Kosten der Pflege für Flüchtlinge und Asylbewerber stellt für die Kommunen ein finanziell nicht kalkulierbares Risiko dar. In besonders schweren Fällen (Dialysepflicht, aufwendige Herzoperationen) haben die Krankenhilfekosten bereits sechsstellige Höhen erreicht. Für die kreisangehörigen Kommunen, insbesondere für kleine Gemeinden, können diese Kostenrisiken zu einer enormen Belastung des Haushalts führen.

 

Zur Minderung der Risiken der Krankenhilfekostengewährung im Kreis Warendorf ist nun geplant, einen Solidarfonds der kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Kreis einzurichten.

 

Funktionsweise des Solidarfonds:

 

Die gesamten tatsächlich angefallenen Krankenhilfekosten nicht pflicht-, freiwillig- oder privatversicherter Leistungsempfänger nach dem AsylbLG werden durch die Anzahl aller nicht versicherten Leistungsberechtigten geteilt. Jede Kommune trägt einen Anteil am Sozialfond im Verhältnis der nicht versicherten Leistungsberechtigten in der Kommune zu allen nicht versicherten Leistungsberechtigten im Kreis Warendorf. Dadurch ist jede Stadt und jede Gemeinde zwar kontinuierlich an den Gesamtkosten beteiligt, ihr Risiko, plötzlich außergewöhnlich hohe Kosten alleine tragen zu müssen, wird hierdurch extrem verringert.

 

Durchführung des Solidarfonds im Kreis Warendorf:

 

Durch öffentlich rechtliche Vereinbarung vom 08.01.1996 wurde bei der Stadt Ahlen für alle Städte und Gemeinden des Kreises Warendorf eine zentrale Stelle zur Abrechnung der kassenärztlichen, kassenzahnärztlichen Leistungen sowie Arzneimittel eingerichtet. Diese Abrechnungsstelle könnte gegen entsprechende Kostenbeteiligung auch die Aufgabe zur Abrechnung der Kranken- und Pflegehilfeleistungen über den Solidarfonds durchführen.

 

Folgende Gründe sprechen für die Einrichtung eines Solidarfonds:

 

1.      Unkalkulierbares Risiko

 

Wie bereits im Vorfeld ausgeführt, tragen die Risiken der Krankenhilfe für Flüchtlinge und Asylbewerber ausschließlich die Städten und Gemeinden. Dieses Risiko ist nicht kalkulierbar. Jederzeit kann ein nicht versicherter Leistungsempfänger schwer erkranken. Die zugewiesenen Menschen sind aufgrund der schrecklichen Ereignisse in ihren Heimatländern teilweise verletzt, vorerkrankt und/oder traumatisiert. Hohe Krankenhilfeleistungen sind im Einzelfall zu erwarten. Die Kosten der Behandlung, Operation etc. liegen bei der jeweiligen Stadt/Gemeinde.

 

2.      Keine Versicherung der Leistungsberechtigten möglich und keine Übernahme der Kosten durch Land oder Bund

 

Es hat seit Einführung des AsylbLG im Jahr 1993 zahlreiche Versuche gegeben, eine andere Lösung herbeizuführen (z. B. Versicherung der Leistungsberechtigten in der gesetzlichen oder in einer privaten Versicherung). Dies blieb leider erfolglos.

 

Auch gibt es Beispiele aus anderen Bundesländern wie z. B. Hessen, wo das Bundesland die Risiken für Flüchtlingskrankenhilfekosten mindert. Hier werden die Krankenhilferisiken der Kommunen auf max. 10.000 € pro Jahr und Leistungsberechtigten beschränkt. Alle höheren Kosten werden vom Land erstattet. Eine solche Regelung lehnte die Landesregierung NRW jedoch bei der verabschiedeten Novelle des Flüchtlingsaufnahmegesetzes im Herbst 2013 ab, so dass das volle Krankenhilferisiko weiterhin allein bei den Kommunen liegt.

 

Des Weiteren macht auch der Referentenentwurf zum neuen AsylbLG keine großen Hoffnungen, dass die Kosten der Krankenhilfe zukünftig als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden und durch den Bund bzw. durch eine gesetzliche Krankenversicherung übernommen werden. Die Städte und Gemeinden werden lt. diesem Entwurf weiterhin die unabsehbaren Risiken tragen müssen.

 

3.      Starker Anstieg der Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen

 

Nach Veröffentlichungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist auch weiterhin mit einer steigenden Zahl der Asylerstanträge zu rechnen. Seit dem Jahre 2010 steigt die Zahl kontinuierlich und stark an.

 

Lt. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind die monatlichen Asylerstantragszahlen im Jahresvergleich Mai 2013 zu Mai 2014 um insgesamt fast 50 % angestiegen. Das bedeutet für die Kommunen, dass die Anzahl der Krankenhilfeempfänger nach dem AsylbLG in den vergangenen Jahren stetig angestiegen ist und weiter ansteigen wird. Das Risiko, dass für eine schwersterkrankte Person Kosten durch die Kommune zu übernehmen sind, steigt somit kontinuierlich. Hat der Kreis Warendorf im Jahr 2013 399 neue Asylbewerber aufnehmen müssen, so waren es in diesem Jahr bis zum 31.07.2014 bereits 356 Menschen. Für das Jahr 2014 wird mit einer Zahl von 600 neuen Asylbewerbern gerechnet. Hierbei sind die sog. Duldungsfälle noch nicht einmal berücksichtigt. Bundesweit wird in diesem Jahr mit insgesamt 200.000 Asylbewerbern gerechnet. Solch hohe Zahlen wurden letztmalig Anfang der 90er Jahre verzeichnet. Für die Stadt Sassenberg betrachtet, fielen im abgelaufenen Jahr 2013 insgesamt rd. 18.500,00 € an Krankenhilfekosten an. Durchschnittlich waren 23 Flüchtlinge/Asylbewerber nicht krankenversichert. Im Jahr 2014 sind bis zum 30.06.2014 Krankenhilfekosten in einer Größenordnung von rd. 12.500,00 € angefallen. Hier betrug die durchschnittliche Zahl der nichtversicherten Flüchtlinge/Asylbewerber 29.

 

4.      Derzeit kein außergewöhnlich teuer Fall im Kreisgebiet

 

Die Einrichtung des Solidarfonds wird nicht von einer besonders betroffenen Kommune forciert, um hierdurch bestehende hohe Krankenhilfekostenverpflichtungen auf weitere Städte und Gemeinden zu verteilen. Allerdings ist den Städten und Gemeinden bewusst, dass jederzeit der Fall eintreten kann, dass ein schwer kranker Leistungsempfänger auf Kosten der jeweiligen Kommune behandelt werden muss.

 

5.      Einheitliche Datenerhebung und Auswertung möglich

 

Die Städte und Gemeinden im Kreis Warendorf nutzen das IT-Verfahren „LÄMMkom“ u. a. auch für die Gewährung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Somit kann eine einheitliche Datenerfassung und Auswertung erfolgen. Dieses ist wichtig, um die Abrechnung der Kranken- und Pflegehilfe möglichst einfach zu gestalten.

 

Angedacht ist ferner, dass im Rahmen eines „Controllings“ sehr teure Krankenhilfe und alle Pflegehilfefälle ein- bis zweimal jährlich von einem kleinen Team besonders betrachtet werden. In diesen Fällen muss dann gemeinsam mit dem Ausländeramt über das mögliche weitere Vorgehen gesprochen werden.

 

Nach Auffassung der Verwaltung ist die Einrichtung eines Solidarfonds für die Gewährung von Kranken- und Pflegehilfe nach dem AsylbLG eine sinnvolle Maßnahme, die Risiken der einzelnen Kommune zu begrenzen. Sicherlich wären größere Systeme noch besser (z. B. auf Landes- oder Bundesebene). Wie jedoch unter Punkt 2 dargestellt, ist hiermit nicht zu rechnen.

 

Die Umsetzung eines solchen Solidarfonds würde im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung geregelt. Der Entwurf einer solchen Vereinbarung ist als Anlage beigefügt.